Adolf Tscherner

Poesie - Theaterstücke

Inhalt

  1. Die Wildschweine
    1. Beschreibung des Schauspiels
    2. Ausschnitt aus 2. Aufzug 2. Auftritt
    3. Ausschnitt aus 2. Aufzug 4. Auftritt
    4. Ausschnitt aus 3. Aufzug 1. Auftritt
    5. Ausschnitt aus 4. Aufzug 2. Auftritt
  2. Die roten Mäuse
    1. Beschreibung des Schauspiels
    2. Der 4. Aufzug
  3. Wanjek, Menschenskind

  1. Die Wildschweine
    1. Beschreibung des Schauspiels
    2. Das Stück lebt von der ins Surreale weisenden Vorstellung, daß sich bestimmte Menschen nach Genmani­pulation in Wildschweine verwandeln, die dann aber weiterhin vernunftbegabt agieren. Das gibt die Gelegenheit, die entstandene groteske Situation theaterwirksam nach allen Regeln der Kunst auszuschlachten.

      Die Mutation geschieht nur bei Menschen die Macht besitzen. Das eröffnet die Möglichkeit, unsere gesamte politische Situation auf den Prüfstand zu stellen. Das Stück ist also gesellschaftspolitisch angelegt. Da es die bestehenden politischen Tendenzen übersteigert darstellt, ist es geeignet, einen erheblichen Wirbel in der Öffentlichkeit hervorzurufen, was zunächst Anfeindungen aber auch Aufmerksamkeit der Medien mit sich bringen könnte. Dadurch wäre gewiß der finanzielle Erfolg der Aufführung sicherstellt. Das Stück könnte das Theater weit über den regionalen Rahmen hinaus bekannt machen.

      Ich gebe jetzt einen genaueren Überblick über das Stück. Das Stück spielt in Deutschland, wie es erkennbar wird, in Berlin. Die handelnden Personen sind Deutsche, Rainer Wolf und seine Frau Elisabeth, sein Bruder Georg, daneben nur ein Amerikaner persischer Abstammung Ahriman und seine Tochter Nadège. Nadège ist mit Georg liiert. Dazu kommen eine Reihe von Menschen, die zu Wildschweinen mutierten. Die politische Situation ist der heutigen nachgebildet.

      Ahriman hat mit Georgs Hilfe einen Virus entwickelt, der per Einschleusung von Genmaterial in die menschliche Erbsubstanz die Mächtigen der Welt in Wildschweine verwandelt. Die so erreichte Situation wird in realistischer Weise in einigen Szenen dargestellt werden, welches zu grotesk-humorigen Handlungsabläufen führt.

      Der Mutationsvirus, der die Verwandlung Mensch in Wildschwein bewirkte, ist aber weiter am Wirken. Nach der zunächst sichtbaren körperlichen Veränderung setzt er beim zweiten Mutationsschub das Denkvermögen der Wildschweine außer Funktion. Sie mutieren zu echten Wildschweinen. Erringen großer Macht führt also in Zukunft zunächst zur Umwandlung in ein Pseudo-Wildschwein, danach zur Verblödung.

      Damit ist der Machtaufbau nach Männerart, also das Patriarchat, unmöglich gemacht. Die Menschheit muß die Machtverdünnung an ihrer Spitze akzeptieren, d.h. sie muß die Herrschaftsform des Patriarchats in das Matriarchat umwandeln, soll sie nicht im Chaos versinken.

      Um einen Eindruck des Stückes zu vermitteln, füge ich vier Textproben an.


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    3. Ausschnitt aus 2. Aufzug 2. Auftritt
    4. Der Text ist aus einer Szene im Park. Dort besprechen drei Pseudo-Wildschweine die für sie entstandene mißliche Lage. Nach einigen mehr allgemeinen Erörterungen kommt Wildschwein Hugo auf die familiäre Situation bei sich zu sprechen.

      Hugo: Das ist alles schon richtig. Aber wißt ihr, meine Frau. Als ich mich verwandelte war sie erst verblüfft, dann schockiert, danach mitleidsvoll, dann langsam aber stetig zunehmend abweisend.
      Emil: Du mußt ihr mal eins hinter die Löffel geben, damit sie weiß, wo es jetzt langgeht.
      Hugo: Erstens liegt mir so etwas nicht. Und dann, was würde es nützen. Ich kann ihr nicht einmal zumuten, in einem Bett mit mir zu schlafen. Außerdem zieht es mich an ganz andere Schlafstellen.
      Emil: Na bitte. Dann schlaft ihr eben getrennt. Das steigert die Wiedersehensfreude.
      Hugo: Begreif doch. Wozu soll ich sie denn wiedersehen. Wenn sie mich sieht, sagt sie: du stinkst, wasch dich!
      Emil: Dann wäschst du dich eben.
      Hugo: Auch wenn ich mich gerade gewaschen habe. Ich stinke immer noch. So sagt sie jedenfalls.
      Felix: Dann stinkst du eben.
      Hugo: Sie ist doch immer noch meine Frau. Selbst wenn ich es wollte, es läuft sexuell gar nichts. Ich werde fast verrückt dabei. Ich sehne mich einfach nach einer strammen Bache. So liegen die Dinge. Wo kriege ich jetzt eine Wildschweinsau her?
      Emil: Lauf in den Wald, vielleicht findest du da eine.
      Hugo: Du bist mir ein schöner Ratgeber.
      Felix: Du hast Recht, die menschlichen Beziehungen werden einer starken Belastung ausgesetzt.
      Hugo: Wie ich schon sagte, hat meine Frau mich ausquartiert. Ich schlafe im Gartenhaus. Hab etwas Laub zusammengetragen. Darauf schlafe ich.
      Emil: Ich bin auf den Balkon gezogen. Ich kann die muffige Luft in der Wohnung nachts nicht vertragen.
      Hugo: Wir haben einen wundervollen Garten. Ist der ganze Stolz meiner Frau. Bisher war ich auch ihrer Meinung. Komischer Weise spricht er mich überhaupt nicht mehr an. Diese fürchterliche Menge von Blumen. Was das soll, weiß ich nicht.
      Felix: Klar. Blumen sind ekelhaft.
      Hugo: Meine Tochter hat eines Tages gemeint, sie möchte auch etwas zur Gartengestaltung beitragen. Sie hat einfach ein paar Kartoffeln zwischen die Blumen gesteckt.
      Emil: Hat das deine Frau denn akzeptiert?
      Hugo: Was unsere Tochter tut, ist wohlgetan. Deshalb durften die Kartoffeln auch zwischen den Primeln wachsen. Störten ja auch nicht weiter.
      Felix: Und dann?
      Hugo: Dann kam die Katastrophe. Nachts bin ich irgendwann aufgewacht. Ich hatte ein inneres Bedürfnis, konnte es aber nicht recht fassen. Ich ging hinaus. Da standen die Kartoffelpflanzen zwischen den Primeln. Da wußte ich, was ich meinem Körper schuldig war. Ich mußte wühlen. Ich habe das ganze Kartoffelfeld zerwühlt. Donnerwetter, war das eine Wohltat. Danach war mir besser.
      Emil: Und deine Frau? Am nächsten Morgen?
      Hugo: Nächster Morgen. Schön wär´s. Vor lauter Zufriedenheit beim Wühlen hab ich gegrunzt und gequietscht. Ich konnte nicht anders. Davon ist meine Frau aufgewacht.
      Felix: Ach ja?
      Hugo: Ich sah nur, daß das Fenster aufging. Dann gab es einen Knall. Wäre es nicht so dunkel gewesen, so daß meine Frau schlecht zielen konnte, hätte sie mir eine Ladung Schrot in den Pelz gejagt.
      Felix: Sie kann doch nicht gleich losballern.
      Hugo: Sie hat es einfach getan. Und dann der Morgen. Sie ist fast ausgerastet. Meine Blumenbeete. So ein Scheusal. So ein widerwärtiges Scheusal. Das schrie sie immer und immer wieder. Hat dieses Untier gar keinen Anstand? Im Dreck herumzuwühlen und meine Blumenbeete ruinieren. Ich war völlig fertig.
      Emil: Die Familie. Die ist für unsereins ein Problem.
      Felix: Ja, ja, wenn ich zu meiner Familie komme, ruft der kleine Niklas schon gleich ins Haus, Achtung, Onkel Felix kommt, macht die Fenster auf, sonst stinkts.

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    5. Ausschnitt aus 2. Aufzug 4. Auftritt
    6. Im Angleichungssalon. Ein Kunde möchte dort Kleidungsstücke etc. kaufen, um sich dem Aussehen der Wildschweine anzugleichen. Dabei werden dem Kunden die verschiedenen Möglichkeiten, sich dem Aussehen eines Wildschweins anzunähern, vorgestellt. Ein Angestellter leitet den kleinen rundlichen Kunden in ein Besprechungszimmer

      Angestellter: Bitte kommen sie hier herein.
      Kunde: Bin ich hier auch richtig? Ich möchte eine gewisse Annäherung an das Wildschweinische erreichen. Das kann man doch bei ihnen?
      Angestellter: Aber gewiß doch. Das ist unsere Spezialität. Ich könnte auch sagen, unsere einzige Aufgabe.
      Kunde: Dann bin ich ja beruhigt. Ich sehe hier keine diesbezüglichen Utensilien, keine Kleidung, Schminke, na, was man so braucht.
      Angestellter: Wir sind sehr diskret. Man muß ja nicht gleich alles in den Regalen ausbreiten, nicht wahr?
      Kunde: Selbstverständlich, nicht!
      Angestellter: Woran hatten sie denn gedacht? Eine Vollverkleidung? Etwas, was sie dauernd tragen? Oder nur etwas Symbolisches?
      Kunde: Ich bin noch nicht entschlossen. Es wäre schön, wenn sie mich da beraten könnten.
      Angestellter: Aber gerne. Als Grundausstattung wählen die meisten einen Vollkörperbody. Er nimmt mehrere Anzüge aus einem Schrank heraus und hängt sie auf verschiedene Haken. Der kann mit echten Wildschweinborsten besetzt sein, er zeigt auf den einen Anzug oder mit synthetischen Borsten. Er deutet auf den Anzug daneben Das macht preislich einen enormen Unterschied.
      Kunde: Kann man denn auch irgendwas unterziehen. Ich friere so leicht. Lange Unterhosen, wollene Leibchen?
      Angestellter: Ganz, wie sie es wünschen. Am besten, sie ziehen die Unterwäsche vor der Anprobe an. Dann kann man den Body eine Nummer größer wählen, wenn es notwendig ist.
      Kunde: Ich könnte ja mal eine Anprobe wagen.
      Angestellter: Aber bitte sehr, hier ist ein Spiegel.
      Der Kunde entledigt sich des Anzugs und Hemds. Er steht nun in langen weißen Unterhosen und weißem Unterhemd da.
      Kunde: Ob ein Wildschweinanzug jetzt darüber paßt?
      Angestellter: Probieren wir´s. Er holt einen Wildschweinanzug und hält ihn dem Kunden hin.
      Kunde: versucht, in den Body hineinzukommen. Donnerwetter, ist der aber eng. Ich glaub, ich laß das lieber.
      Angestellter: Probieren sie mal diese Kopfmaske. Ist was für dezente Imitatoren. Stülpt sie dem Kunden über den Kopf. Hier, sehen sie sich im Spiegel an. Famos, famos!
      Der Kunde gibt die Maske zurück, bleibt in Unterhosen.
      Kunde: Wie ich gehört habe, gibt es Vollanzüge mit und ohne Gesichtsabdeckung. Sie führen doch wohl beides?
      Angestellter: Klar! Die geschlossenen Anzüge sind von vornherein vollständig, sind aber besonders im Sommer recht lästig. Die mit freiem Gesicht er deutet auf den Anzug ganz rechts sind dem gegenüber weit angenehmer zu tragen. Der Benutzer hat dann allerdings die Aufgabe, sich das Gesicht wildschweinmäßig zu schminken. Die hierzu notwendige Salbe bekommen sie bei uns.
      Kunde: Dann tendiere ich eher zu einem Anzug mit freiem Gesicht.
      Angestellter: Eins müssen sie allerdings berücksichtigen. Das sind die Hauer. Er nimmt ein paar Hauer aus dem Schrank und reicht sie dem Kunden Ein Wildschwein ohne Hauer ist wie ein Fisch ohne Gräten.
      Kunde: So sind sie mir eigentlich am liebsten.
      Angestellter: Die Wildschweine?
      Kunde: Nein, nein, die Fische. Wenn man Fische ohne Gräten kaufen könnte, brauchte man keine Angst mehr zu haben, daß man eine Gräte verschluckt.
      Angestellter: Na, ja, ohne Hauer ist ein Wildschwein nur eine Art Karikatur seiner selbst. Das wollen sie ja wohl nicht sein.
      Kunde: Gewiß nicht.
      Angestellter: Dann entsteht bei freiem Gesicht allerdings das Problem, daß sie die Enden der Hauer, die bei Wildschweinen normalerweise im Maul liegen, zwischen die Zähne nehmen müssen. Er nimmt die Hauer und schiebt die Enden dem Kunden in den Mund Gerade beim Sprechen kann das sehr lästig fallen.
      Kunde: Erleidet einen Erstickungsanfall. Nachdem er die Enden der Hauer ausgespuckt hat, muß er sich erst einmal setzen und verschnaufen Oh Gott, was kommt da auf mich zu.
      Angestellter: Ja, wer Wildschweinimitator sein will, muß leiden. Eine alte Indianerweisheit!
      Kunde: Und diese Schwierigkeiten entstehen beim geschlossenen Wildschweinanzug nicht?
      Angestellter: Da sind die Hauer am Anzug selbst befestigt.
      Kunde: Eine schwer zu treffende Wahl.
      Angestellter: Die sie sich in Ruhe überlegen sollten.
      Kunde: Ich habe gehört, daß zu einem gediegenen Wildschweinoufit auch eine entsprechende Duftnote gehört.
      Angestellter: Das ist richtig. Ohne den rechten Wildgeruch kann ein Wildschwein-Imitator nicht bestehen. Wir führen mehrere diesbezügliche Düfte. Dezent, normal und streng. Ich öffne ihnen einmal die Tube mit dem normalen Odeur. Öffnet die Dose und hält sie dem Kunden unter die Nase.
      Kunde: Schweinisch! Was für ein Gestank. Das riecht ja schlimmer als in einem Raubtierkäfig. Es ist nicht auszuhalten.
      Angestellter: Aber beliebt!
      Kunde: Und wer soll diesen Gestank ertragen?
      Angestellter: Man gewöhnt sich dran. Soll ich mal die Dose mit dem strengen Geruch öffnen?
      Kunde: Um Himmelswillen nein! Das überleb ich nicht. Da falle ich garantiert in Ohnmacht.
      Angestellter: Sie sollten bedenken: Kommt einmal ein echtes Wildschwein bei ihnen zu Besuch, dann stinkt die Bude noch ganz anders. Vielleicht erleichtert sich das Wildschwein unter ihrem Tisch. Das soll schon des öfteren vorgekommen sein. Die Biester sind unberechenbar. Dann bekommen sie den speziellen Duft überhaupt nicht mehr aus der Wohnung heraus. Es sei denn, sie renovieren alles.
      Kunde: Na, das sind ja schöne Aussichten.
      Angestellter: Für sein Fortkommen muß man Opfer bringen. Am besten ist, man gewöhnt sich dran. Deshalb haben wir auch einen speziellen Parfümzerstäuber für Wildschweinduft entwickelt. Darf ich sie damit einmal anstäuben?
      Kunde: Nein!!! Bloß das nicht. Ich glaub, ich muß mir das ganze noch mal überlegen. ab.
      Angestellter: Ich weiß nicht, was die Leute wollen. Sie möchten Karriere machen, aber anpassen wollen sie sich den Wildschweinen nicht. Das kann ich nicht gut heißen. Vorhang.

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    7. Ausschnitt aus 3. Aufzug 1. Auftritt
    8. Ein Ausflug in die Abgründe amerikanischer Außenpolitik. Die darin agierenden Personen, Senator und Vorsitzender, sind selbstverständlich, wie alle Mächtigen im Stück, Wildschweine. Dabei gibt der Vorsitzende dem Senator Anweisungen, wie er seine Rede vor einer Versammlung des Wildschweinrats halten soll.

      Vorsitzender: Im übrigen müssen sie die gesamte Argumentation auf der Bekämpfung der Terroristen aufbauen. Terroristen sind die eigentlich Bösen. Das muß von vornherein klar sein. Die Schurkenstaaten sind schurkisch nur deshalb, weil sie von Terroristen unterwandert sind.
      Senator: Sind sie´s denn nicht?
      Vorsitzender: Genau genommen sind sie es tatsächlich nicht. Wir haben jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte, daß sie es sein könnten.
      Senator: Also Beweis durch stereotype Wiederholung der Behauptung! Und die Bedrohung durch die Massenvernichtungswaffen der Schurkenstaaten?
      Vorsitzender: Alles halb so wild. Unsere Abschreckung hat bisher funktioniert, warum nicht auch bei denen. Nein, es geht um etwas anderes. Wir müssen vom Prinzip Abschreckung und Vergeltung zum Prinzip Prävention finden. Das ist jedenfalls die Meinung des Präsidenten. Also, bevor der Gegner zuschlagen könnte, schlagen wir zu.
      Senator: Und wenn er gar nicht zuschlagen will?
      Vorsitzender: Schlagen wir trotzdem zu. Wie will unser Gegner dann beweisen, daß er keine Absicht hatte, uns anzugreifen. Das ist unmöglich. Damit haben wir die Sache in der Hand.
      Senator: Hat der Präsident noch weitere Anweisungen?
      Vorsitzender: Ja, die wichtigste. Stimmen sie die Leute darauf ein, daß wir uns das Ausmaß unserer kriegerischen Aktionen vorbehalten. Der Präsident sagt immer: Gegen Massenvernichtungswaffen hilft nur Vernichtung der gegnerischen Massen! Wenn sie so wollen, ist es die Doktrin eines gezielt eingesetzten Holocausts.
      Senator: Das kriegen wir bei unseren Verbündeten aber nicht durch.
      Vorsitzender: Im Augenblick vielleicht nicht. Deshalb müssen wir argumentativ vorarbeiten. Ihre Aufgabe! Wichtig ist zwischen einem Holocaust auf Basis des Guten und einem des Bösen zu unterscheiden. Was Hitlerdeutschland tat, geschah auf Basis des Bösen. Als wir die Atombomben in Japan warfen, die deutschen Städte in Schutt und Asche legten und damit die Bevölkerung dezimierten, geschah es auf der Basis des Guten.
      Senator: Sie meinen, wir könnten in Zukunft ganze Völker ausradieren, präventiv?
      Vorsitzender: Die Vorstellung muß in unsere Überlegungen einbezogen werden. Ohne solch weitreichende Liberalisierung der Kriegsführung sehe ich für unser Land schwarz.
      Senator: Und das alles hat der Präsident nicht nur gut geheißen, sondern geradezu propagiert?
      Vorsitzender: Im Vertrauen gesprochen, der Präsident ist noch weit über das alles hinausgegangen. Ich glaube, er hat den Schock, ein Wildschwein geworden zu sein und keinen menschlichen Körper mehr zu besitzen, nicht im Geringsten überwunden. Ist wieder der alten Alkoholsucht verfallen.
      Senator: Schrecklich.
      Vorsitzender: Er macht seine mißliche Lage den nicht verwandelten Menschen geradezu zum Vorwurf und hat ihnen Rache geschworen, obwohl es da nichts zu rächen gibt. So ist nun mal unser Präsident.


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    9. Ausschnitt aus 4. Aufzug 2. Auftritt
    10. Der Text ist der Situation entnommen, wo Ahriman der Familie Wolf gegenüber zugibt, einen Fehler bei der Genmanipulation gemacht zu haben. Die Mutation der Pseudo-Wildschweine ist weiter voran geschritten und hat bewirkt, daß die Pseudo-Wildschweine verblöden, also zu echten Wildschweinen werden. Bei Elisabeth und Nadège entsteht daraufhin die Vision eines Matriarchats als einziger Lösung der entstandenen Schwierigkeiten der Menschheit.

      Rainer: zu Ahriman Sie haben doch sicher gestern die Tagesschau gesehen. Dort berichtete man von einem Pseudo-Wildschwein, welches ganz eigentümliche Krankheitssymptome zeigte.
      Ahriman: Sie meinen, das Wildschwein hatte nichts Menschliches mehr an sich.
      Elisabeth: Wir hatten eben eine ziemlich erregte Diskussion darüber. Manche meinen, das wäre ein vorübergehender Zustand. Andere sagen, einige Pseudo-Wildschweine wären zu echten Wildschweinen geworden. Ich gehöre übrigens zu Letzteren.
      Ahriman: Da haben sie ein gutes Gespür. Ja, die Pseudo-Wildschweine werden samt und sonders zu echten Wildschweinen werden. Es gibt keine Möglichkeit, dies zu verhindern.
      Elisabeth: Springt wie ein Gummiball in die Höhe. Juchhuh!
      Rainer: Verdammt, Elisabeth, das ist doch kein Anlaß der Freude.
      Elisabeth: Und ob er es ist!
      Ahriman: An der Situation bin ich, glaube ich, nicht ganz schuldlos.
      Rainer: Ach!
      Ahriman: Wir sind ja hier unter uns. Jeder weiß, daß von dem, was ich hier sage, nichts nach außen dringen darf. Als ich das genetische Design der Umwandlung Mensch in Wildschwein schuf, ist mir offensichtlich ein Fehler unterlaufen. Ich habe keine Sperre in die Erbsubstanz eingefügt, die den Umwandlungsvorgang nach der Gestaltveränderung stoppte. Die Mutationsprozesse liefen weiter.
      Elisabeth: Davon konnte man aber nichts merken.
      Ahriman: Weil zunächst die inneren Organe und die Muskulatur sich dem der Wildschweine anglichen. Zuletzt war das Gehirn an der Reihe. Da wurde es offensichtlich. Aus dem Menschengehirn wurde ein Wildschweinbrägen.
      Rainer: Was macht man jetzt?
      Ahriman: Nichts. Man kann nichts machen. Die Viecher – pardon, die Pseudo-Wildschweine mutieren zu echten Wildschweinen.
      Elisabeth: Dann ist die Situation so, wie ich sagte. Die Männer werden in die zweite Reihe gedrängt.
      Ahriman: Da nichts im Universum ohne Gottes Willen geschieht, muß ich meinen Irrtum für eine Fügung Gottes halten.
      Elisabeth: Na bitte. Gott ist mit den Frauen!
      Georg: Nadège, sag du doch mal was.
      Nadège: Komm her, Elisabeth, laß dich umarmen.
      Elisabeth: Wir haben es geschafft, die Männer liegen am Boden. Sie läuft zu Nadège hin und umarmt sie. Dann küssen sie sich. Wie schön du bist!
      Nadège: Du bist auch wundervoll! Darf ich zu dir ziehen.
      Elisabeth: Das Haus ist groß genug.
      Nadège: Und unsere Männer?
      Elisabeth: Mein Mann ist auch dein Mann.
      Nadège: Das ist praktisch! So sage ich: Mein Mann ist dein Mann.
      Elisabeth: Dann wollen wir es festmachen. Sie geht zu Georg und küßt ihn. Liebster!
      Nadège: Geht ihrerseits zu Rainer und küßt ihn. Liebster!
      Die beiden Männer stehen danach ziemlich verblüfft da.
      Rainer: Nachdem er sich gefaßt hat. Könnt ihr mir mal sagen, was das wird?
      Elisabeth: Wir proben die Frauenherrschaft. Und Frauen, die herrschen, geben sich nicht mit einem Mann zufrieden.
      Nadège: Klar! Ein Mann ist nicht genug. Wir werden uns noch weitere Männer angeln.
      Ahriman: Ich merke schon, mein simples Versehen bei der Konzeption der Wildschweine scheint eine Kettenreaktion in der Weltveränderung auszulösen.
      Rainer: Das kann man wohl sagen.
      Georg: Wir Männer werden uns warm anziehen müssen.
      Rainer: Mit dem alten Schlachtkeil der Germanen, der Führer rennt voran, die Mannen folgen in Dreiecksformation nach, wird das entstandene Problem der Männer nicht zu lösen sein.
      Georg: Elisabeth hat recht. In Zukunft wird jeder, der nach der ungeteilten Macht strebt, erst Wildschwein, um danach zu verblöden. Wer will das schon.
      Rainer: Und in dem neuen Spiel sind uns die Frauen überlegen.
      Georg: Ironisch. Schlafen wir heute schon überkreuz?
      Rainer: Lassen wir das die Frauen entscheiden. Die haben jetzt das Sagen.
      Nadège: Wo so wichtige Entscheidungen anstehen, denkt ihr nur an euren Sex. Zunächst gilt es, die Kriegsgefahr zu bannen. Wir müssen mit unseren Schwestern in aller Welt Kontakt aufnehmen.
      Elisabeth: Wie ich hörte, sind auch die Terroristen nicht mehr komplett. Die Hauptmacker sind zu Wildschweinen geworden. Die werden die Macht nicht mehr lange ausüben. Dann schlägt ihre Stunde. Sind sie erst einmal fort, können sich die gegensätzlichen Parteien auf einen Interessenausgleich einigen.
      Nadège: Ja, laß uns eine allgemeine Friedensinitiative starten.
      Elisabeth: Weder Präventivkriege noch sonstige Kriege dürfen unter der Herrschaft der Frauen geschehen.
      Nadège: Und verhungern darf auch niemand mehr auf der Welt.
      Elisabeth: Wenn ich es bedenke, haben die Männer die wichtigsten Probleme ungelöst vor sich hergeschoben.
      Nadège: Beklagen dürfen sie sich jedenfalls nicht, wenn ihnen jetzt das Heft aus der Hand genommen wird. Die Zeit ist reif für den Wechsel. Es lebe das Matriarchat!
      Elisabeth: Der oberste Kreis der Macht in der Menschheit muß von Müttern gebildet werden. Nur wer Leben schuf, kann ermessen, wie abgrundtief böse es ist, Leben bewußt auszulöschen.
      Ahriman: zu Rainer und Georg Ich glaube, wir sollten ins Arbeitszimmer gehen. Ich habe eine Flasche Aquavit mitgebracht. Die wird uns gewiß gut tun, glaube ich.
      Rainer, Georg, Ahriman ab.
      Nadège: Und was ist mit Amerika. Werden die nicht kapitalistisch bleiben wie bisher? Und alles zunichte machen?
      Elisabeth: Das Matriarchat ändert alles. Kapitalismus und Matriarchat sind unvereinbar! Der Kapitalismus muß weichen. Das bringt wieder die guten Seiten Amerikas zur Geltung. Vorhang.


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  2. Die roten Mäuse
    1. Beschreibung des Schauspiels
    2. Das Stück enthält etwa ein Dutzend Lieder mit eingängigen Melodien, ist also als Musical anzusehen. Allerdings mit ernster Grundtendenz. Es spielt während der Studentenrevolte des Jahre 1968. Im Stück agieren zwei unterschiedliche Gesellschaften: Einmal die Mäuse, die im ewigen Kampf mit der Katze Muschikatz liegen, und dabei auch einen kleinen Sieg erringen, zum anderen eine Gruppe von Studenten und Kommunarden, die über die richtige Methode politischen Agierens diskutiert und schließlich zu einer gewalttätigen Demonstration geht, wo zum Schluß einer aus der Gruppe erschossen wird. Ich füge die Szene als Leseprobe bei, in der Maus Jaque von der Katze gefangen wird und durch ein raffiniertes Manöver der Mäuse frei kommt.


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    3. Der 4. Aufzug
    4. Die Mäusegesellschaft. Ballimaus kommt hereingestürmt.

      Balli: Wißt Ihr schon das Neueste von den Aktionen unserer liebenswerten Muschikatz?
      Jonny: Was macht sie schon wieder?
      Balli: Sie belagert.
      Jonny: Wen belagert sie denn?
      Balli: Wen schon, eine Maus!
      Jonny: Wie kam es dazu, wer ist es?
      Margarete: Nun sag es schon Mäusemann, rede!
      Balli: Ach Gott, die Sache ist nicht von besonderer Wichtigkeit.
      Margarete: Nicht von Wichtigkeit? Wenn einer der Uns'rigen in Gefahr ist gefressen zu werden? Sieh dich vor, Ballimaus, daß wir dich nicht einmal in die Fänge der Katze hetzen!
      Balli: Es ist ja nichts mehr zu machen, er wird doch gefangen. Es war übrigens zu vergnüglich, wie die Katze nach dem Burschen angelte.
      Margarete: Hauptsache, du hast dein Vergnügen gehabt. So rede schon, Bengel, wer ist der Unglückliche?
      Balli: Es ist, wie sollte es auch anders sein, wer steckt seine neugierige Nase schon in aller andern Leute Angelegenheit, unser so allseits beliebter Weltenbummler und Globetrotter Maus Jáque.
      Ein Aufschrei geht durch die Mäuseschar.
      Margarete: wankt rückwärts. Oh Gott!
      Jonny: Der arme Mäuserich.
      Balli: Der dumme arme Mäuserich.
      Jonny: Wie geschah denn das?
      Balli: Ich erzähl es Euch gern.
      Die Szene wird geteilt. Auf der einen Seite agiert die Mäusegesellschaft, auf der anderen Seite Jáque und später Muschikatz. Zunächst erscheint Jáque und macht pantomimisch das, was Ballimaus singt. Am Schluß des Liedes verschwinden alle Mäuse außer Jáque von der Bildfläche.
      Balli: Es schlich und schlich ein Mäuserich
      mit Pst und Pst und leise,
      und hoffte wohl und dachte gar
      es wär auf diese Weise
      ein Speck zu krieg'n und weg zu krieg'n
      dem Koch Sperenzien zu machen,
      und hinterher mit Bittesehr
      ins Fäustchen sich zu lachen.
      Alle: Ins Fäustchen sich zu lachen.
      Balli: Es schlich und schlich ein Mäuserich
      mit Pst und Pst und leise,
      und schlich herum, wie gar nicht dumm,
      gerad auf seine Weise.
      Nach jedem Quack späht aus der Jáque,
      nur nach der großen Gefahr nicht.
      Das ist der Trend, den jeder kennt,
      an sich nur ganz und gar nicht.
      Alle: An sich nur ganz und gar nicht.
      Balli: Er schleicht und schleicht daß er vielleicht
      kann tragen ein Stück Speck weg
      in das Versteck, nach hause weg
      mit vielem Hick- und Heckmeck!
      Er findet's recht und gar nicht schlecht,
      den Kopf dabei zu wagen,
      für ein Stück Speck, für ein Stück Dreck
      die Haut zu Markt zu tragen.
      Alle: Die Haut zu Markt zu tragen.
      Balli: Es schlich und schlich ein Mäuserich
      mit Pst und Pst und leise,
      in töricht dummer Weise,
      auf seiner Globusreise.
      Doch unser kleiner Mäuserich
      mit seinem blöden Schleichen
      lief der Katze in die Krallen rein,
      ich glaub' , das wird ihm reichen!
      Alle: Man glaubt , das wird ihm reichen!
      Während der letzten Strophe erscheint ein Schaukelstuhl in der Mitte des Raums durch Hochziehen eines Vorhangs. Die Katze Muschikatz präsentiert sich darin schaukelnd in raffiniertester, leichtester Kleidung - mit einem Hauch von Pelz angetan, in sehr erotischer Pose. Ihre Fingernägel sind feuerrot gefärbt. Maus Jáque schleicht gerade, ohne sie zu sehen, an ihr vorbei.
      Muschikatz: Legt Jáque die Hand auf die Schulter. Oh teurer Freund, wohin so schnell des Weges?
      Jáque: Was, wer ist das, Hilfe, zu Hilfe, die Katz!
      Muschikatz: Welch gräßliche Anrede, die Katz. Im Hause hier werde ich Muschikatz genannt. Aber bei so hübschen, jungen Herrn heiße ich Mizi la belle. Komm, dreh Dich einmal um zu mir.
      Jáque: Dreht sich um und fährt bei ihrem Anblick zusammen. Huch!
      Mizi: Wie heißt denn der junge Galan?
      Jáque: Ich heiße Maus Jáque, sehr geehrte Mizi la belle.
      Mizi: Jáque, nicht so förmlich. Sag einfach Mizi zu mir.
      Jáque: Mizi.
      Mizi: Hauchend: Ja?!
      Jáque: Ich weiß nicht, was hier gespielt wird. Ihr habt mich doch gefangen, um mir den Kopf abzubeizen.
      Mizi: Aber wer wird denn an so etwas gräßliches denken. Ich will doch nur mit dem kleinen, süßen Jáque ein wenig spielen und wenn wir genug gespielt haben darf er gleich wieder zurück in sein Mauseloch. Ist das nicht schön?
      Jáque: Ich kann daran leider nicht recht glauben.
      Mizi: Jáque, Du bist ein Pessimist. Sieh mir mal in die Augen! Glaubst Du, daß so schöne Augen Dich belügen können?
      Jáque: Ich weiß nicht, ich habe da keine Erfahrung.
      Mizi: Ein Mann ohne Erfahrung - wie wundervoll. Aber wie ich gehört habe, bist Du doch ein Weltreisender und ein Weltreisender sollte keine Erfahrung haben? - Du bist ja ein Lügner, Jáque, ein süßer, allerliebster Lügner. Einen so süßen Lügner muß ich einfach küssen. Komm, küß mich Jáque.
      Jáque: Ich möchte nicht so recht, die Maus Margarete ...
      Mizi: Ein Maus mit Moral. Oh Jáque, dann streichle wenigstens meine Beine.
      Jáque: Tut es zaghaft.
      Mizi: Jáque, Du bist mir ein schüchterner Liebhaber. Etwas mehr Feuer, wenn ich bitten darf!
      Jáque: Ich will nicht.
      Mizi: Er will nicht?! Sieh mal hier, was das sind. Sie zeigt ihm ihre hochrot gefärbten Fingernägel.
      Jáque: Das sind, mit Verlaub, Eure Krallen.
      Mizi: Die Kribbelkritzekrallen. Müssen die Krallen denn erst kratzen?
      Jáque: heiser Nein, das müssen sie nicht.
      Mizi: Nun, siehst du, liebster Freund, wir sind uns bereits völlig einig. Ich möchte nicht kratzen, du willst nicht gekratzt werden. Was gäbe es für eine bessere Möglichkeit, den Bund zu besiegeln, als sich zu küssen. Na, Jáque, willst du ein feuriger Recke sein?
      Jáque: Ich beuge mich der Gewalt. Er küßt sie.
      Mizi: Umarmt ihn leidenschaftlich. Oh Jáque - die Gewalt der Liebe ist unwiderstehlich.
      Jáque: Besonders in diesem Augenblick.
      Mizi: Welche Pläne für die Zukunft hegst du denn nun, geliebter Jáque?
      Jáque: Ich muß gestehen, daß ich im Moment nicht weiter disponiere.
      Mizi: Du lebst gewissermaßen von Kuß zu Kuß, von Umarmung zu Umarmung. Weißt du Jáque, daß du mir das leidenschaftlichste Vergnügen bereitest?
      Jáque: Ich verstehe und gehorche.
      Mizi: Du gehorchst dem Taumel der Sinne.
      Jáque: Streichelt mechanisch ihre Beine. Ich würde das Ganze als repressive Gewalt bezeichnen.
      Mizi: Repressiv - das versteh ich nicht. Ist das eine besondere Art zu lieben?
      Jáque: Es ist die Art zu lieben der Mächtigen.
      Mizi: Da du ein so großer Eroberer bist, wirst du bald ebenso mächtig sein wie ich.
      Jáque: Nein, die repressive Gewalt ist angeboren. Die ist mit der Muttermilch aufgesogen, die erwirbt man nicht.
      Mizi: Warum mit einmal so verzagt?
      Jáque: Ich bin verzagt darüber, daß die Mächtigen der Welt es nicht damit bewenden lassen können, gewaltig zu sein. Nein, sie müssen mit ihrer Gewalt spielen, sie an jeder passenden und unpassenden Stelle dokumentieren: Seht her, ich der Machtvolle, ich der Großartige, trete dich kleines Geschöpf in den Dreck.
      Mizi: Tu ich das denn mit dir, Jáque? Hab ich dich nicht umarmt, wie man nur jemanden, den man liebt, umarmen kann?
      Jáque: Die Umarmungen der Mächtigen sind gefährlich, um nicht zu sagen tödlich.
      Mizi: Wer wird schon an den Ausgang der Angelegenheit denken.
      Jáque: Für dich ist es Spiel. Für mich ist es Ernst.
      Mizi: Mir ist es auch ernst.
      Jáque: Für mich geht es um die sogenannten vitalen Interessen.
      Mizi: Ohne dies Spiel wärst du völlig chancenlos.
      Jáque: Die Chancen für mich sind gleich null.
      Mizi: Sag das nicht. Wenn du mich besonders gut küßt, gebe ich dir vielleicht die Freiheit.
      Jáque: Du willst mir die Freiheit zurückgeben?
      Mizi: Nicht gleich die ganze Freiheit, aber ein Stück davon.
      Jáque: Die Freiheit bis wieweit?
      Mizi: Sagen wir - fünf Schritt von hier.
      Jáque: Küßt sie stürmisch, geht dann drei Schritte. Darf ich noch weiter?
      Mizi: Noch zwei Schritte.
      Jáque: Geht die zwei Schritte.
      Mizi: So, nun komm wieder her.
      Jáque: Laß mich noch einen Schritt tun. Dann komm ich zurück und zahle den Tribut für Euren Großmut mit Küssen.
      Mizi: Die sich sprungbereit halb aufgerichtet hat Aber nur einen ganz kleinen Schritt. Dann kommst du wieder zurück.
      Jáque: Geht den Schritt, blickt sehnsüchtig zu dem Mauseloch hin und geht langsam zu Mizi zurück. Da bin ich!
      Mizi: Sinkt wieder in den Schaukelstuhl zurück. Oh la lalalalala. Du hast Mut, mein Freund. Ein Schritt weiter, und die Jagdleidenschaft hätte mich gepackt.
      Jáque: Die Gewalt ist solange verdeckt, bis man sie offenkundig macht, indem man sie provoziert. Er streichelt mechanisch ihre Brüste und küßt sie. Wo ich dich jetzt so hübsch streichle und küsse, könntest Du mir noch ein wenig mehr Freiheit gewähren. Ich komme ganz gewiß zurück. Ich schmachte ja selbst nach deinen Küssen.
      Mizi: Ist das wahr, Jáque sollte erobert sein?
      Jáque: Zeigen dir das nicht meine Küsse? Er küßt sie in gekünstelter Art leidenschaftlich.
      Mizi: Jáque, ich glaube, du hast diese Freiheit verdient.
      Jáque: Zehn Schritte?
      Mizi: Zehn Schritte - das ist zuviel.
      Jáque: Zehn Schritte sind genau das Richtige. Du bei deiner Schnelligkeit kannst mich erreichen - oder auch nicht.
      Mizi: Bei zehn Schritten erreiche ich dich noch. Also gut, aber in der Richtung vom Mauseloch weg. Ich will das Spiel einmal spielen. Wenn du ungehorsam bist, ist es aus.
      Jáque: Zählt die Schritte von eins bis neun.
      Mizi: Erhebt sich zum Sprung.
      Jáque: Ach leg dich wieder hin. Ich möchte den zehnten Schritt doch noch nicht tun.
      Mizi: Nein, nein. Jetzt machst du den zehnten Schritt und kommst dann gleich zurück.
      Jáque: schreit Vorsicht Mizi, hinter dir, drei Ratten!
      Mizi: Huch! Sie fährt herum, Jáque läuft an, Mizi verspätet hinterdrein. Es gelingt Jáque unter einen Schrank zu kriechen. Undankbarer, schnöder Geselle, wart, ich werde dich schon hervorangeln. Sie bückt sich und stochert nach ihm. Er ist zu weit hinten, ich komme nicht heran. Na warte, einmal mußt du ja hervorkommen. Sie holt sich einen Stuhl und läßt sich darauf nieder. Dann kramt sie Spiegel und Lippenstift hervor und beginnt sich in aller Ruhe zurechtzuschminken. Ein Mäusespiel ist doch immer wieder ergötzlich. Sie legt das Schminktäschen zur Seite und angelt erst vorn, dann hinten unter dem Schrank, wobei Jáque fast auf der anderen Seite vorkommt. Ich glaube, er läßt sich doch hier herausstochern!
      Ein kleiner Extravorhang wird vor die Gruppe Mizi, Jáque herabgelassen. Auf dem übrigen Teil der Bühne tritt die Mäusegesellschaft auf.
      Ballimaus: So ging Maus Jáque der Muschikatz in die Falle.
      Margarete: Wir müssen etwas tun!
      Balli: Das wird schwer werden. Jáque, der mutige, sitzt zitternd unter dem Schrank und die Katze liegt davor und angelt mit den Pfoten nach ihm. Jáque ist so konfus, daß er ihr schon ein paarmal fast in die Krallen gelaufen wäre.
      Margarete: Wir müssen etwas unternehmen, und zwar schnell, ehe es zuspät ist!
      Balli: Was denn. Sollen wir der Katze vielleicht die Kehle durchbeißen?
      Margarete: Mäuse! Laßt Euch etwas einfallen!
      Jonny: Hier gibt es keine Rettung mehr.
      Margarete: Doch. Ich habe einen Plan.
      Jonny: Sei vernünftig Margarete, du rennst in dein Verderben.
      Margarete: Mein Verderben ist es, wenn Jáque gefressen wird.
      Jonny: Wir müssen Margarete helfen.
      Margarete: Den gefährlichen Teil übernehme ich.
      Balli: Dieses Weib ist wahnsinnig.
      Margarete: Los! Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ich erkläre euch unterwegs meinen Plan.
      Die Mäuse zunächst ab. Der Teilvorhang vor Mizi und Jáque wird hochgezogen. Mizi stochert noch immer nach Jáque. Dieser hängt ganz entnervt zur anderen Seite des Schranks heraus.
      Margarete: Verläßt das Mauseloch gegenüber von Muschikatz. Die schöne Mizi, Mizi la belle, scheint sehr gut in Form zu sein.
      Mizi: Sich langsam erhebend und vom Schrank abwendend: Wie meinst du das?
      Margarete: Man munkelt so allerlei von einem Liebesabenteuer. Wer ist denn der Auserwählte?
      Mizi: Ach, nur eine Maus, der ich den Kopf abbeizen will.
      Margarete: So, so. Du beißt Deinen Liebhabern den Kopf ab.
      Mizi: Ich will ihn nicht mehr als Liebhaber. Er ist unter dem Schrank.
      Margarete: Ist er dir entwischt?
      Mizi: Mir entwischt keiner.
      Margarete: Das ist richtig. Erzähl mir aber, wie der Mäuserich unter den Schrank gekommen ist.
      Mizi: Wir haben miteinander gespielt. Ich meine, wir unterhielten uns.
      Margarete: Über das Wetter?
      Mizi: Unwillig. Wenn du es genau wissen willst, wir haben uns geküßt.
      Margarete: Ein Katzenkuß muß für einen Mäuserich sehr schön sein.
      Mizi: Natürlich ist er das.
      Margarete: Weiter, das interessiert mich. Was habt ihr dann getan?
      Mizi: Dann - dann habe ich Jáque gesagt, er soll unter den Schrank kriechen.
      Margarete: Einfach so?
      Mizi: Ja, ich war seiner überdrüssig.
      Margarete: Dann würde ich ihn auch wegschicken. Aber unter einen Schrank - das ist toll. Mizi la belle schickt ihre ausrangierten Liebhaber unter einen Schrank. Da sollen sie schmoren.
      Mizi: Jetzt habe ich Hunger, und will ihn fressen.
      Margarete: Die Liebe der Großen ist ihrem Wesen nach verschlingend. Je heißer die Liebe, desto größer der Appetit. Eine Frage: Hat er dich geliebt?
      Mizi: Etwas aus der Bahn geworfen: Ich weiß nicht, ich meine - natürlich hat er mich geliebt.
      Margarete: Liebt er dich noch jetzt?
      Mizi: Natürlich liebt er mich.
      Margarete: Ach Mizi la belle, zeig mir doch einmal einen Katzenkuß. Bitte ihn, bei seiner Liebe, dich zu küssen.
      Mizi: Er wird nicht kommen. Er hat Angst, er wird gefressen.
      Margarete: Dann gib ihm dein Katzenwort, daß du das nicht tust.
      Mizi: Er kommt nicht. Er kommt trotzdem nicht.
      Margarete: betroffen Er kommt nicht? Er will dich nicht küssen? Dieser Schuft!
      Mizi: weinerlich Schuft ist der richtige Ausdruck. Er hat mich hinters Licht geführt, liebe Freundin. Ich kann es dir ja gestehn. Er hat mich verlassen.
      Margarete: Er hat die liebe Muschikatz verlassen? Dafür solltest du ihm den Kopf abbeißen.
      Mizi: Das werde ich tun.
      Margarete: Wie kann ein Mann so schuftig sein, eine solche Frau zu verlassen. Man wird sagen: Mizi la belle scheint an Attraktivität und Macht eingebüßt zu haben. Ihr Liebhaber hat sie verlassen.
      Mizi: Ich bitte dich, nicht in dieser Weise von der Angelegenheit zu reden.
      Margarete: Ach, Mizi ist die Sache peinlich. Hat sie die Krallen zu weit vorgewagt und ist hängengeblieben? Oh Mizi, Mizi, du wurdest verschmäht! Was macht man nun mit einer solch ausrangierten Liebhaberin. Man sollte sie aus dem Haus jagen!
      Mizi: fauchend Ich verbiete es dir so über die Angelegenheit zu reden!
      Margarete: Mizi, die Unwiderstehliche hat eine nicht wieder gutzumachende Niederlage erlitten. Man lacht über sie. Hörst Du, wie sie über dich lachen und dich verhöhnen? Man hört die Mäuse in den Löchern kichern. Oh je, diese Schande für Mizi de la Mancha.
      Mizi: Hör auf, oder ich beiß dir den Kopf ab.
      Margarete: Erst mal können vor Lachen.
      Mizi: steht auf dem Sprung Sei endlich still!
      Margarete:
      Mizi, Mizi, blöde Mizi,
      Mizi voller Leidenschaft,
      hat ein echter Mausejunge
      dich du dummes Vieh geschafft.
      Die Strophe wird von den anderen Mäusen wiederholt
      Mizi: Na warte!
      Sie stürzt auf Maus Margarete zu. Diese bringt sich jedoch in Sicherheit. Währenddessen kommen aus allen Löchern Mäuse hervor, die rote Fähnchen schwenken. Mizi verliert die Übersicht. Sie jagt eine Maus nach der anderen ins Loch zurück, während hinter ihrem Rücken Jáque in ein Mauseloch entflieht.
      Margarete: Du kannst aufhören, Fangen zu spielen Mizi. Jáque ist gerettet.
      Mizi: Verdammt, er ist weg! So eine verflixte Mäusegesellschaft. Hat sie mich doch tatsächlich geleimt. Aber warte Mäusepack, verdammichtes. Die nächste Maus, die ich fange, fresse ich gleich.

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  3. Wanjek, Menschenskind
  4. Das Stück ist ein Einakter und ist aus einer tatsächlichen Begebenheit heraus entstanden. Damals probte meine Tochter und ihr Freund das Stück von Vaclav Havel – Titel muß eingefügt werden -- . Ich war zufällig Zukörer, als die beiden sich an einem Einzigen Satz aus dem Stück festbissen: Wanjek, Menschenskind.“ Ich habe dann um diese Begebenheit ein kleines Schauspiel geschrieben.

    In dem Stück von mir wird die Geschichte der Befreiung Tschechiens aus dem kommunistischen Joch abgehandelt und dabei die Frage aufgeworfen, in welcher Weise Widerstand gegen totalitäre Regime aufgebaut werden kann. Das Stück geht damit weit über das enge Geschehnis der behandelten Geschehnisse hinaus.

    Als Einakter ist das Stück natürlich nicht abend­füllend. Man könnte seine Aufführung aber mit der Aufführung des Stückes von Vaclav Havel – Titel muß eingefügt werden – kombinieren. Das wäre gewiß eine gelungene Kombination. Die Aufführungsrechte und die Texte für Havels Schauspiel müßten jedoch erst noch besorgt werden.

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    Datum letzter Änderung: 11.02.2008